Der Park am Park

Eine Friedrichshainer Terra incognita  mit offener Zukunft

von Dirk Moldt, Erstveröffentlichung im Friedrichshainer Zeitzeiger Nr.07/November 2015

Die meisten unserer Beiträge widmen sich der Vergangenheit von bestimmten Orten, in diesem geht es jedoch sowohl um die Vergangenheit als um die Zukunft. Was würden Sie sagen, wenn das steinerne Friedrichshain ein grünes Areal hinzu bekäme, fast so groß, wie der Lichtenberger Stadtpark? Was würden Sie sagen, wenn dieses Grüngelände direkt an den Lichtenberger Stadtpark anschließen würde und mit diesem zusammen ein Ausmaß annähme, wie keine andere Friedrichshainer Grünanlage nach dem Volkspark Friedrichshain? Dieses Gelände existiert bereits, wird aber nicht als Friedrichshain wahrgenommen? Die Grenze nach Lichtenberg verläuft nämlich nicht an der Ringbahnbrücke in der Frankfurter Allee, wie manche glauben, sondern hinter ihr. Sie umschreibt die gesamte Brache des ehemaligen Containerbahnhofs.

Containerbahnhof am Stadtpark LichtenbergEin wichtiger Knotenpunkt

Der 1872 als Bahnhof Friedrichsberg gegründete Haltepunkt für Personenzüge hatte immer auch eine Güterstation. Hier wurden die Waren der Produktionsbetriebe in Rummelsburg und Stralau sowie vom Hafen des Oberbaums umgesetzt, die zum Teil schon auf Schienen ankamen. Zusammen mit den Gleisanlagen Rummelsburg-Lichtenberg entstand ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt. Während des Zweiten Weltkriegs oft Ziel alliierter Bombenangriffe, wurden die Gleisanlagen immer wieder geflickt. Die großen Lücken, die der Krieg in die Wohnbebauung der Pettenkofer Straße gerissen hatte, wurden erst in den letzten Jahren wieder geschlossen. In der Zeit des Wiederaufbaus avancierte der Bahnhof sofort wieder zu einem wichtigen Knotenpunkt des Berliner Güterverkehrs. Doch seinen großen Aufschwung erlebte er in den Jahrzehnten danach, angestoßen von einer Entwicklung, die in weiter Ferne lag. 1956 legte das erste Containerschiff vom Hafen Newark (New Jersey) los. Das neue Transportsystem revolutionierte den Warentranport weltweit innerhalb kürzester Zeit. Die stapelbaren, einfach und zügig zu verladenden Blechbehälter waren die moderne Entsprechung der mittelalterlichen Holzfässer auf den Hansekoggen. Bald entstanden in allen wichtigen Häfen auch Containerumschlagplätze, die sich als bedeutend leistungsfähiger erwiesen, als die Häfen mit herkömmlicher Ent- und Beladung. Globalisierung ist keine Erfindung der letzten zwanzig Jahre, sie hat schon sehr viel früher eingesetzt.

Praktische Blechkisten

Wie schnell diese Entwicklung vor sich ging, sieht man daran, dass gerade einmal zehn Jahre nach der ersten Tour des ersten Containerschiffs in Amerika mit dem Bau des Containerbahnhofs an der Frankfurter Allee begonnen wurde. Die DDR-Wirtschaftsstrategen reagierten damals erstaunlich schnell auf den neuen Trend. 1968 wurde der Containerbahnhof fertig gestellt, samt Gleisanschluss zum Überseehafen Rostock. In seinen Spitzenzeiten ließen hier 500 Betriebe täglich bis zu 1.000 Container verladen. Die Container sind knapp 2,50 Meter hoch und mehr als 12 Meter lang. Welche Längen und Höhen sich in 24 Stunden hier stapeln ließen, kann sich jeder selbst ausrechnen. Nach 1989 wurde es ruhiger.

Wende und Ende

Die Industrie im Osten Deutschlands wurde abgewickelt und damit auch etappenweise der Containerbahnhof. Genau zehn Jahre später wurde er vollständig geschlossen. Seither liegt das sechshundert Meter lange und zum Teil bis über hundert Meter breite Areal wüst. Was geschieht mit anderen Bahnanlagen in Berlin, die nicht mehr gebraucht werden? Der ehemalige Güterbahnhof Pankow soll zu einem Wohngebiet umgebaut werden. Seit Jahren streitet sich der Investor mit der Kommune um Einrichtungen wie Spielplätze, Schulen oder Kulturbauten, mit denen man kein Geld verdienen kann. Am Gleisdreieck entstand ein weitläufiger neuer Park und am ehemaligen Rangierbahnhof am S-Bahnhof Priesterweg wächst zwischen den Gleisen ein begehbarer Urwald heran. Eine ausgediente Dampflock, die allmählich vor sich hinrostet, ist die Attraktion dieses Parks. So könnte es sein: Von der Bahnbrücke zwischen Eldenaer Straße und Scheffelstraße führt ein Wendelgang direkt hinunter auf ein mit Bäumen bepflanztes, flaches Terrain mit Wiesen, Pavillons, gewundenen Kieswegen und Bänken. Eine große Hecke schirmt es vor der Ringbahn ab.

Ein Park am Park

Der Park hat einen Zugang zum S-Bahnhof, von dem man nun direkt zum Rathaus Lichtenberg kommt. Integriert in das neue Gelände ist eine kleine Bühne für Kleinkunst, ein Restaurant, eine Wand, an der sich Sprayer austoben dürfen, ein Grillplatz und ein Bereich, in dem Urban Gardener das Sagen haben. Östlich davon schwingt sich die Landschaft zum alten Lichtenberger Stadtpark auf. Der Radweg „Grünes Band“, der vom S-Bahnhof Nöldnerplatz entlang des Bahndamms über die Pfarrstraße bis zur Gürtelstraße führt, erhält Anschluss an die Eldenaer Straße und wird bis zur Storkower Straße verlängert. Kurz gesagt: Naherholung zu Fuß. Der Park am Park ist eine schöne und durchaus umsetzbare Vorstellung.

Autobahnalbträume

Tatsächlich geplant ist dagegen die Verlängerung der A 100 von Treptow, die an der Rudolf-Seiffert-Straße in die Storkower Straße einmünden soll. Von dort soll sie als moderne Schnellstraße durch die Kniprodestraße und die Michelanglostraße führen und in die Ostseestraße einmünden. Für die Menschen dies- und jenseits dieser Trasse wird die Autobahn Tag und Nacht Dauerlärm bedeuten. Wie sich das ausnimmt, kann überall dort erkundet werden, wo die A 100 besonders laut ist: am Spiegelweg im Westen des Rings, an der Friedrichsruher Straße im Südwesten oder am S-Bahnhof Südring. Die Lärmemission wird nicht nur für die unmittelbaren Anwohner in der Pettenkofer Straße oder an der Scheffelstraße eine gewaltige Belastung darstellen, sondern als permanente Geräuschkulisse das gesamte östliche Samariterviertel füllen. Von den Belastungen für die Tiere des Stadtparks ganz zu schweigen. Gewonnen werden dadurch gerade einmal sechs Minuten, wenn man mit dem Auto in die Greifswalder Straße will, aber nur, wenn es keine Staus gibt. Es wäre dringend geraten, sich des Terrains anzunehmen und als öffentliches Gelände zu reklamieren, damit es den Anwohnern zugutekommt und nicht zu deren Schaden gereicht.